Mit der Rückkehr eines religiös anmutenden Weltuntergangsglaubens wird der Geist wieder unfrei. von Ralf Rosmiarek
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Eine Totgeglaubte ist auferstanden: Die Religion ist zurück — mit ihr sind die Angst und gar Todesangst zurückgekehrt. Eine ungeahnte Renaissance erleben auch der universelle Erlösungsanspruch, Glaubensdiktat, Unfreiheit und Gehorsam. Manch bunte Geschichte, modern Narrativ genannt, fügt sich zu einer sich unantastbar gebenden Wahrheit zusammen. Inmitten einer entgötterten und entzauberten Welt erhebt etwas zutiefst Irrationales sein Haupt: der Kult. Die Wucht seines Kommens überrascht allerdings und macht perplex. Die neue Universalgottheit Corona mit den Nebengottheiten Klima und Gender zeigt sich wirkmächtig von Anbeginn und ähnelt doch irgendwie dem alten Gotte Jahwe. Schon er dröhnte unduldsam: „denn ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifernder Gott“ (Exodus 20,5). Und das Wehe folgte auf dem Fuße, die apokalyptischen Reiter trompeten und tröten aus allen Rohren und auf allen Kanälen und (a)sozialen Plattformen. „Viele werden Weihnachten nicht mehr erleben“, so die unmissverständliche Botschaft des ersten apokalyptischen Reiters Jens Spahn in der Adventszeit des Jahres 2020. Der zweite Reiter der Endzeit, Karl Lauterbach, weiß ebenso sicher: „Klar ist ..., dass die meisten Ungeimpften von heute bis dahin entweder geimpft, genesen oder leider verstorben sind“. Hier nun war der März 2022 gemeint. Prophezeiungen sind freilich die eigentliche Crux aller Religionen, ihre Erfüllungen bleiben zu oft ein Desiderat. Manch Apokalyptiker hat sich in Machtrausch und Trunkenheit vergaloppiert und fiel vom Gaul. Für den Glauben sind solche Ausrutscher letztlich nur Bagatellen. Selbst noch die Parusieverzögerung konnte der christlichen Religion kaum etwas anhaben, war doch die baldige Wiederkunft des Heilandes ein Kernstück der Verkündigung, so führte man nur unwesentlich später Dispute eben darüber, spaltete sich irgendwann enttäuscht oder weiterhin hoffnungsfroh, verketzerte sich gegenseitig, blieb dennoch irgendwie christlich. Theologie dann als besondere Form der Logik. Ebenso ist — unübersehbar nach über zweijähriger Coronaherrschaft — die Richtschnur der Neureligion Gesundheit für Priesterschaft und die Gemeinschaft der Gläubigen dem alten Buch der Bücher entnommen, heißt es doch dort: „Daher sollt ihr darauf achten, dass ihr handelt, wie es der Herr, euer Gott, euch vorgeschrieben hat. Ihr sollt weder rechts noch links abweichen!“ (Deuteronomium 5,32). Das unterstreicht nachdrücklich Hohepriester Lothar Wieler: „Diese Regeln ... dürfen überhaupt nie hinterfragt werden.“ Mit Martin Luther hätte er ebenso hinzufügen können: „Ich wenigstens glaube,
Seit geraumer Zeit spricht eben doch einiges für die Annahme, es sei ohne Religion kein Auskommen. Die semantische wie etymologische Herleitung von Religion könnte im Verbum religari wurzeln, „sich gebunden wissen“, Wunsch also einer „Rückbindung“, die metaphysische Leerstelle bedarf der Aufwärmung und nur wenig spricht noch für eine „religiöse Auskühlung“. Schnell fand man jedenfalls zueinander, rief die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht in ihrer ersten Ansprache zur behaupteten Pandemie: „Es kommt auf jeden an!“? Die Angstorgel war wohlgestimmt, die Register ordentlich gezogen, die Sendeanstalten lieferten deren O-Töne im Takt der Viertelstunde, die Bilder der „Coronahölle“ von Bergamo brannten sich in die Köpfe. Die Altäre von Panik und Angst sind feierlich bereitet. Zeit wurde es dringlichst für die Seelenprüfung. Bist du bereit für „gemeinsames solidarisches Handeln“? Nur darauf kommt es an, „so sehr“. „Keine Herausforderung“ größer gar „seit dem Zweiten Weltkrieg“. Der Funke nun aber zündet — solidarisches, kollektives Büßen für den Nationalsozialismus. Der Kampf gegen das Virus war zugleich der Kampf gegen Nazis. Das konnte nur einen, man stachelte auf, man stachelte sich an. „Wir“ gegen die anderen, die Ungläubigen, Ketzer und sonstigen Abweichler. Hatte nicht das Verketzern gute Tradition und Grundlage? Ist nicht in der Heiligen Schrift, insbesondere im Neuen Testament, gegenüber den „Querdenkern“ schon die Rede von „Hunden“? Heißt man sie nicht „Lügenapostel“, bezeichnet sie als „vernunftlose Tiere, die ihrer Natur nur dazu geschaffen sind, dass man sie fängt und umbringt“ (Philipper, 3,2; 2. Korinther 11,13; 2. Petrus 2,12)? Das Erbe wirkt nicht unbeträchtlich nach. Bald werden nun die Zweifelnden mit dem Begriff „Leugner“ beschimpft. Eine erste Assoziation dann: Holocaustleugner, schnell liegt damit das Attribut „antisemitisch“ auf der Zunge. Schmerzvoll ist es für den so Diffamierten, der sich um Reputation und soziales Gefüge sorgt, und doch soll er noch tiefer getroffen werden. Denn ist der in Verruf Geratene nicht gar der Gottesleugner? Schlimmer nun geht es nicht. Als Konsequenz dann die Aberkennung seiner Rechte, ob er überhaupt noch Anspruch auf medizinische Versorgung durch die Solidargemeinschaft haben könne, wird in diesem Land tatsächlich ernsthaft diskutiert. Exemplarisch erwähnt sei der RTL- und Spiegel-„Journalist, geifert er doch enthemmt: „Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich um gesellschaftliche Nachteile für all jene ersuchen, die freiwillig auf eine Impfung verzichten. Möge die gesamte Republik mit dem Finger auf sie zeigen“ [05]. Bekenntnisse Die Gläubigen der aufstrebenden Coronareligion nehmen sich dann bald zum Zeichen des Bekennens die Maske, sind seitdem deutlich und weithin sichtbar wahrnehmbar, besonders im öffentlichen Raum und versuch(t)en, die noch Ungläubigen unter ihr Glaubenssymbol und -bekenntnis zu zwingen. Sie erfüll(t)en damit gar nicht „verschämt“, was die eigentliche Aufgabe eines jeden Gläubigen sein soll(t)e. Gläubige „müssen identifizierbar sein durch ihr Handeln und Reden und ihr Äußeres“. Diese Forderung gegenüber den Christen erhob schon in den 1970er-Jahren der ehemalige Bundespräsident Karl Carstens, staatliche Neutralität hin oder her. „Es verlangt heute Mut“, weiß etwa auch der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick und fordert: „Christen sollen Zeugnis geben“. Offensichtlich aber hadern die Christen, denn ihren Kirchen gerät alles zur Beliebigkeit. Gott, Jesus, nur noch mit Sternchen oder einem Pluszeichen zu denken, zu schreiben, zu lesen, zu stottern, äh ..., zu sprechen.
„Wer soll eigentlich noch freiwillig in eine Christmette gehen, wenn er am Ende der Predigt denkt, er hat einen Abend bei den #Jusos beziehungsweise der Grünen Jugend verbracht?“, so twitterte Ulf Poschardt am Heiligen Abend 2017. Sehr berechtigt scheint daher die Wahrnehmung von Lucas Wiegelmann in der Welt, wenn er schreibt: „Die Kirche selbst hat das Signal gesendet, man brauche sie nicht mehr“ [06]. Hier ist sie dann wohl aufspürbar, nicht die „religiöse“, sondern die christliche „Auskühlung“. Festgehalten wurden denn auch 441.390 Kirchenaustritte für das Jahr 2020 aus der evangelischen wie katholischen Kirche, für das vergangene Jahr liegt das Zahlenwerk noch nicht vor, doch wird geschätzt: „2021 (könnte) das Jahr mit der bisher höchsten Anzahl von Kirchenaustritten werden“, sofern wird vermutet, dass sich „die gesamten Kirchenaustritte sich auf rund 650.000 und mehr“ erhöhen werden [07]. Doch die Zahl der Konvertiten, die der Coronareligion anhängen, nicht allein aus dem christlichen Lager, ist Legion. Erschauerndes Stammeln weltweit: Corona, oh süßes Grauen! Die neue Religion erscheint hinsichtlich ihrer Ausbreitung und ihrer Anhängerschaft damit als die erfolgreichste der Welt, insofern sich von Erfolg angesichts von Religion überhaupt sprechen lässt. Längst wird jedoch von diesen Gläubigen die Mündigkeit, Hinterlassenschaft der Aufklärung, als Last empfunden. Mündigkeit sei eine „Denkpest“, wird von interessierten politischen wie medialen Kräften unisono verlautbart. Doch sollte man das Nachdenken über Religion tatsächlich unterlassen? Sollte es nicht wenigstens nachdenklich stimmen, dass eine der ältesten Bibelfassungen, der Codex Sinaiticus, dreiundzwanzigtausend (als Zahl: 23.000) „Korrekturen“ enthält. Ist dies nicht wenigstens erstaunlich für ein erklärt göttlich- oder verbalinspiriertes Buch? Der Zahlen- und Buchstabensalat der Coronareligion verkündet durch das heilige RKI-Offizialat scheint dagegen fast banal. Ob nun Fremd- oder eben Eigenschutz oder überhaupt ein Schutz durch eine mRNA-Einspritzung besteht, wen interessiert es? Die Impfung bringt die Erlösung, so sagt es der neue Heilige Text, die Medien übernehmen dessen Verkündigung: „Das Impfen schafft eine flüchtige, glückliche Gemeinschaft, eine Impfcommunity, vereint für ein paar Minuten“, liest es sich im Schweizer Tagesanzeiger. „Da sind diejenigen, die noch auf den Pieks warten, und jene, die vor Ort noch ihre 15 Minuten Sicherheitszeit nach dem Shot absitzen. Es werden Witzchen gemacht, ein Vater spielt mit seinem Kind, die Stimmung ist heiter. Das Impf-High wirkt“, ist zu erfahren, vor allem aber versichert die Verkündigung: „Die Impfpraxen und Impfzentren sind Orte, an denen Hoffnung keimt. Deshalb sind sie vielleicht gerade die glücklichsten Orte in der coronageplagten Welt“ [08]. Die Impfung bringt die Erlösung, so sagt es also der neue Heilige Text, das wollen selbst Anhänger der Altreligion anerkennen. „Warum sollte diese Impfung kein Geschenk Gottes sein?“, fragt etwa Bischofsvikar Karl Schauer im September 2021 [09]. In der Einspritzung sieht denn auch der Ständige Rat der Deutschen Bischofskonferenz „Verpflichtung aus Solidarität und Nächstenliebe“. „Mit Nachdruck rufen wir die Katholikinnen und Katholiken und alle Menschen unseres Landes dazu auf, sich impfen zu lassen“, wird der gläubigen wie glaubensschwachen Herde zugerufen [10]. Keinesfalls nachstehen möchte die oberste Amtsprotestantin Annette Kurschus: „Sich aus religiösen Gründen nicht gegen Corona impfen zu lassen, könne heißen, Gott herauszufordern“, resümiert die Welt [11] ihre Auslassungen. Vielmehr ist „die Impfung ein Segen“, zwitschert es ein ums andere Mal Karl Lauterbach. Der Professor für Medizinische Mikrobiologie und Virologie Alexander Kekulé weiß denn auch: „Das wäre der größte Schaden überhaupt, wenn die Leute nicht mehr an die Impfung glauben!“ [12]. Die neue Religion übernimmt geräuschlos die alten Kultstätten, die Kirche als Impfzentrum wird zum Hoffnungsort und verspricht nun wieder neu Heil und Erlösung, abgetakelte Zeitgeistliche finden neue Aufgaben in der Corona-Priesterschaft. Süsse weisse Rosinen Es könnte also durchaus lustig sein, sich mit Religion(en) zu beschäftigen. Die Erfindungen und Ausschmückungen verschiedenster himmlischer Paradiese könnten zum Lachen zwingen, zum herzhaften gar. Da sind dann, bedingt jeweiliger Visionen, Engel, geflügelt oder auch nicht, Jungfrauen in endloser Zahl oder — enttäuschend genug —, doch nur süße weiße Rosinen; siebenköpfige Drachen treiben ihr Unwesen oder explodieren gar nach dem Genuss von Kuchen. Auch wird zum genussvollen Schauen der Höllenqualen der Ungläubigen eingeladen, endlos ertönt musikalisches Spiel. — Soll’s gar die Schreie der Verdammten übertönen? Schon stellt sich die Frage: Muss im Paradies doch gearbeitet werden oder entsteht die Musik aus sich selbst, nebst Harfe, Orgel und dergleichen? Wiederauferstehungen kannte das Altertum noch zuhauf, jeder Kult, der etwas auf sich hielt, berichtet von denen, „die aus den Gräbern gingen“. Uneinigkeit besteht unter Christen weiterhin darüber, ob es am Tage des Jüngsten Gerichts dann den alten Körper zurückgibt, inklusive transplantierter Organe und Endoprothesen, oder der Verstorbene eine Neuausstattung des Leibes erhält. Doch diese Art zu fabulieren und zu träumen, sich in Narretei und Zumutungen zu verlieren, verursacht hohe Kosten. Friedrich Nietzsches Erkenntnis erhält neuerlich ihre grandiose Bestätigung: „Denn so ist der Mensch!“, heißt es im fünften Buch der Fröhlichen Wissenschaft: „Ein Glaubenssatz könnte ihm tausendfach widerlegt sein — gesetzt, er hätte ihn nötig, so würde er ihn immer für wahr halten.“ Freilich: Diese Narretei heißt eben Religion und so erfährt man Belehrung vom gegenwärtig amtierenden Oberhaupt der Catholica [13]: „Jede Religion hat eine Würde, über die man sich nicht lustig machen darf!“ Schon ist man damit bei Meinungsfreiheit und sogenannten religiösen Gefühlen. Apodiktisch stellt Franziskus auch heraus: Diese Gefühle sind die Grenze der Meinungsfreiheit, diese finde ihr Ende, wo „die religiösen Gefühle anderer verletzt werden“ und „der Glaube der anderen herausgefordert, beleidigt oder lächerlich gemacht wird“.
Ein Gespräch über den Gegenstand ist verunmöglicht in Politik, in den Medien, selbst in der Wissenschaft. Unklar aber ist doch schon, wann der Tatbestand einer objektiven Beleidigung erfüllt ist und nicht lediglich eine subjektiv-beleidigte Betroffenheit ausgewiesen wird. Was darf nun aber als religiöses Gefühl gelten? Ist jede Esoterik und Fantastik, jede Überspanntheit, jedwedes Schwärmen unter Denkmalschutz stehend? Wie steht es um Satanskulte, Teufelsreligionen, schwarze Messen? Alles ehrenwert und mit „Würde“ versehen? Wie steht es somit um die Inhalte der neuen Religion? Wie steht es um das Quälen der Kinder und Jugendlichen durch permanenten Testzwang, das neue Aufnahmeritual somit, das über Isolation oder Teilhabe am Gruppenleben entscheidet? Wie steht es um das absurde Geschrei nach Abstand und krankmachender Maske, wie um Absperrbänder und Ausgangssperre? Ist sie die neue Zeit der Meditation oder Zeit der Neuregelung des Stundengebetes? Wie steht es um das unablässige Händewaschen und Desinfizieren, das als strenges religiöses Ritual daherkommt und doch seltsam abergläubisch anmutet? Auch religiöser Wahn hat hohe Kosten Die alte, angestammte wie auch die neue Religion widersprechen noch immer der Wirklichkeit einer säkularen Gesellschaft und lassen sich durch einen vermeintlich neutralen Staat, oftmals in aller Stille, aushalten. Fast 600 Millionen Euro an Staatsleistungen sind es, die im Jahre 2021 an die beiden größeren christlichen Religionsgesellschaften in Deutschland ausgereicht wurden. Ein seit 1919 fortdauernder Verfassungsbruch und zwei lapidar formulierte Sätze der Weimarer Reichsverfassung [14] kosteten den deutschen Steuerzahler von 1949 bis heute 19,6 Milliarden Euro. Selbst die sich atheistisch ausweisende DDR knabberte weiter an der Verfassung Weimars und zahlte den Kirchen aus dem allgemeinen Steueraufkommen von 1949 bis zum Ende der ersten sozialistischen Republik 629.425.293 Mark [15]. Nun aber soll dem Verfassungsauftrag endlich entsprochen werden. „Wir schaffen in einem Grundsätzegesetz im Dialog mit den Ländern und den Kirchen einen fairen Rahmen für die Ablösung der Staatsleistungen“, heißt es dann auch im Koalitionsvertrag der Ampel, möchte man doch schließlich überhaupt „mehr Fortschritt wagen“. Verträge, die zu Napoleons Zeiten geschlossen wurden, scheinen inzwischen deutschen Politikern nicht mehr so gänzlich zeitgemäß. Noch in dieser Legislaturperiode solle die Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen eingeleitet werden, verlautet es durch den SPD-Religionsexperten Lars Castellucci. Ihm sei es „peinlich, sich immer wieder als Politiker vorwerfen lassen zu müssen, das Grundgesetz in diesem Punkt zu missachten“, betonte er im Interview bei Christ & Welt.
Es ist allerdings derselbe Politiker, der noch im Mai des Jahres 2018 es als „Unsinn“ betrachtete, den Verfassungsauftrag einzulösen und die Staatsleistungen endgültig zu kippen, schließlich: „Den Kirchen stehen diese Leistungen zu“ [16]. Die Antwort auf die Frage „Warum?“, ist dann gequältes Aufstöhnen, zumeist jedoch nur beredtes politisches wie kirchliches Schweigen. Doch munter wird der Steuerzahler auch für die Staatsreligion Corona schon zur Kasse gebeten. „Die Kosten für die Schnelltests liegen bundesweit bislang bei mehr als 2,7 Milliarden Euro“, notiert die Welt aktuell am 15. April 2022 [17]. Im November 2021 bezifferte der MDR die Ausgaben für die Corona-Festlichkeiten und liturgischen Gebrauchsmaterialien: „Sieben Milliarden Euro für Masken, fast neun Milliarden Euro für Impfdosen, über 120 Milliarden Euro an Corona-Hilfen und aktuell eine Verschuldung von zwei Billionen Euro“ [18]. Die neue Religion hat ihren stolzen Preis, auch hier offenbart sich bislang erfolgreich Einmaliges. Vermutlich ist es ketzerisch zu fragen, ob diese Billionen nicht hätten besser eingesetzt werden können? Wären sie nicht besser verwendet, zur Entlastung und „nachhaltigen“ — um endlich einmal auch das Wort zu strapazieren — Umgestaltung des Gesundheitssystems? Dessen Überlastung wurde zwar ständig prophezeit, aber wieder verblieb da lediglich das Manko der Prophetie. Wären die Milliarden nicht besser für die medizinischen Berufe verwendet worden, hätten somit eventuelle Personalengpässe vermeiden helfen und für eine Attraktivität und tatsächliche Wertschätzung der Berufe gesorgt? Religion ist niemals harmlos Horribile dictu — eine Leiche wandelt wieder! Wahn! Doch hat sie nicht ihre Fürsprecher in faszinierender Zahl? Die Religion, der Glaube — die einzige Wahrheit, der einzige und einzigartige Trost? Bedürfnis? Grundlage von Ethik und Moral? Grund genug somit, sich auf den Boden zu werfen oder in die Knie zu gehen und Bittgesuche an Fiktionen zu richten? Servilität dem aufrechten Gang vorziehen? Mentaler Infantilismus also? Religion ist eine Idiotie, eine Laune und Ausfluss menschlicher Fantasie, eine Dreistigkeit, eine Fiktion, gelegentlich vielleicht eine Hilflosigkeit, eine Raffinesse auch. Nur eines ist Religion nie: harmlos. Die miteinander konkurrierenden Glaubensgewissheiten und alternierenden Glaubensvorstellungen sind dem Aufbau einer trag- und lebensfähigen globalen Kultur hinderlich.
Streitpotenzial dann aber auch, weil die eigene Gemeinschaft explizit nach den Gesichtspunkten der eigenen Religion, der eigenen Konfession beurteilt wird. Hass und Fanatismus, der die Glaubenden trennt, sind nur zu oft das Ergebnis der religiösen Identität. Nein, es ist nicht harmlos, wenn sich wissenschaftliche Einrichtungen zu Organen der reinen Glaubenslehre wandeln und Dogmen, Formeln und Vorschriften verkünden. Eingeschärft durch die neuen Glaubenslehrer: „Diese Regeln ... einhalten. Die müssen also der Standard sein. Die dürfen nie hinterfragt werden“. Wissenschaft, Medien und Politik amalgamieren sich, ein gefährliches Gemisch entsteht, der Journalist Frank Lübberding beschreibt es luzide: „Einige Wissenschaftler deklarieren, was Wissenschaft ist — nämlich nur ihre jeweilige Position. Medien sorgten für die nötige Reichweite, indem sie
Gegenpositionen als unwissenschaftlich und gefährlich abqualifizierten. Das hatten schließlich die von ihnen zitierten Wissenschaftler so gesagt. Die
Politik wiederum legitimierte ihre Entscheidungen mit den Einschätzungen jener Wissenschaftler, die das sagten, was die Politik aus unerfindlichen
Gründen hören wollte. Dramatisierung anstatt Entdramatisierung“ [19].
„Vertrauen Sie den Gesundheitsbehörden, vertrauen Sie der Weltgesundheitsorganisation, vertrauen Sie dem gesunden Menschenverstand und journalistischer
Sorgfalt in den Qualitätsmedien“ [21].
„Die Hoffnung, die Gefahr, der Erlöser, die Krankheit, all dies entzieht sich den Blicken. (...) Ob der Messias oder Viren, Nanoteilchen, Gase,
Radioaktivität: Das Unsichtbare ist heilig oder teuflisch, göttlich oder giftig, verborgene Allmacht oder mörderische Bedrohung. (...) Der Himmel ist
klar, der Frühling schickt linde Lüfte, aber wer weiß, was tief im Rachen steckt“ [22].
„Unsere Xerxesse messen unsere erbärmliche Existenz mit Quadratellen und peitschen uns zur hündischen Proskynese, zur Verzichtleistung der
Menschenvernunft.“
Rubikon, Titel: Das Übel des Corona-Kults Dieses Werk ist unter einer Creative Commons-Lizenz (Namensnennung - Nicht kommerziell - Keine Bearbeitungen 4.0 International) lizenziert. Unter Einhaltung der Lizenzbedingungen dürfen Sie es verbreiten und vervielfältigen. Ralf Rosmiarek, Jahrgang 1962, studierte Theologie und ist seit 1989 in der Stadtverwaltung Erfurt tätig. Seit 2007 ist er Mitbegründer und -organisator des Klassik-, Kunst- und Literaturfestes „Sommerklang“ in Oberbösa. Zudem verfasste er Beiträge für „Nietzsche-Studien“. HBS, Titel: Humanistischer Pressedienst Makroskop, Titel: Das Magazin für Wirtschaftspolitik Tumult Magazine, Titel: Vierteljahresschrift für Konsensstörung |