COVID-19 : SARS-COV-2 : Disease X

Ich möchte hier und in den folgenden Kapiteln anhand von einigen Epidemien & Pandemien erläutern,
worin das Gemeinsame liegt. Trennendes gibt es zwar, doch mein Fokus liegt gänzlich am Gemeinsamen, das meiner Ansicht nach essentiell und ein wichtiger Faktor beim Bekämpfen einer Pandemie ist. Ich möchte versuchen, aus der derzeitigen Corona-Pandemie, der Cholera-Epidemie ab dem Jahr 1817 sowie der spanischen Grippe 1914 bis 1918 jenen wichtigen Teil einer Strategie zur Bekämpfung für die heutigen Probleme der Corona-Pandemie herauszuarbeiten. Zuerst je 2 Erläuterungen zur jeweiligen Pandemie. Am Schluss dann jener wichtige Teil einer Bekämpfungsstrategie der heutigen Probleme.

Vorher jedoch möchte ich die verschiedenen Begriffe etwas näher erläutern, da die Unterschiede ständig durcheinandergeschmissen werden oder in den Medien in einer Art Verwirrungstaktik oder Meinungsmanipulation absichtlich mißbräuchlich verwendet werden.

Endemie:
Unter einer Endemie versteht man eine Erkrankung, die nur in einer bestimmten Population bzw. in einer bestimmten Gegend auftritt. Die Ursache einer Krankheit im Endemiegebiet (z.B. Parasiten, Viren) bleibt in der Regel ständig präsent und erfasst einen gewissen Anteil der dort ansässigen Individuen.

Maßgeblich: bestimmte Population, bestimmte Gegend, ständig präsent

  DocCheck Flexicon, Titel: Endemie, verlinkt am 18.05.2021

Epidemie:
Eine Epidemie bezeichnet ein stark gehäuftes, örtlich und zeitlich begrenztes Auftreten einer Erkrankung, vor allem einer Infektionskrankheit.

Maßgeblich: stark gehäuft, örtlich begrenzt, zeitlich begrenzt

  DocCheck Flexicon, Titel: Epidemie, verlinkt am 18.05.2021

Pandemie:
Unter einer Pandemie versteht man die länderübergreifende, globale, zeitlich begrenzte Verbreitung einer Infektionskrankheit.
Das Besondere an einer Pandemie ist, daß der Krankheitserreger gänzlich neu sein muß, also bisher nirgendwo aufgetreten sein darf.
Die Pandemie steht damit im Gegensatz zur örtlich beschränkten Epidemie.

Maßgeblich: länderübergreifend, global, zeitlich begrenzt, neu

  DocCheck Flexicon, Titel: Pandemie, verlinkt am 18.05.2021

Seuche:
Als Seuchen werden besonders virulente Infektionskrankheiten bezeichnet, für die ein schwerer Krankheitsverlauf sowie eine schnelle Massenausbreitung charakteristisch sind. Für diese Infektionskrankheiten besteht im Allgemeinen Meldepflicht. Die Verhütung und Bekämpfung obliegt dem öffentlichen Gesundheitsdienst.

Maßgeblich: schwerer Krankheitsverlauf, schnelle Massenausbreitung

  DocCheck Flexicon, Titel: Seuche, verlinkt am 18.05.2021

Über die Gefährlichkeit einer Krankheit oder die Zahl der Infizierten sagen die Definitionen Endemie, Epidemie, Pandemie nichts aus – es können sich auch vergleichsweise harmlose Erkrankungen mit wenigen Betroffenen zur Pandemie auswachsen oder lebensbedrohliche Krankheiten als Endemie regional begrenzt bleiben. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) rief am 30.01.2020 den „internationalen Gesundheitsnotstand“ aus und erklärte COVID-19 am 11.03.2020 eigenmächtig & entgegen der eigentlichen Definition zur Pandemie.




COVID 19 Ursachen:

Nach Angaben der der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird die in Europa im Februar 2020 erstmals auftgetretene Lungenerkrankung aus China, die durch ein Coronavirus verursacht wird, Covid-19 (abgekürzt aus dem Englischen: Corona Virus Disease 2019) genannt. Zugleich erhielt auch der Erreger, das "neuartige" Coronavirus, das bisher vorläufig 2019-nCoV genannt wurde, einen eigenen Namen: Sars-CoV-2. Dieser soll für die künftige wissenschaftliche Bezeichnung auch in Studien maßgeblich sein.

Der Namensgeber des Erregers, die Coronavirus-Studiengruppe des Internationalen Komitees zur Taxonomie von Viren (International Committee on Taxonomy of Viruses) bezieht sich mit dem Namen Sars-CoV-2 auf die sehr enge Verwandtschaft zum Sars-Virus (Sars-CoV), an dem 2002/2003 Hunderte Menschen gestorben waren. Die Viren sind Experten zufolge Varianten ein und derselben Virusart.

Coronaviren wurden nach Angaben des Robert Koch-Instituts erstmals Mitte der 1960er Jahre identifiziert. Sie können Menschen und Tiere infizieren. Sieben Vertreter dieser Gruppe verursachen beim Menschen Atemwegserkrankungen - von gewöhnlichen Erkältungen bis zu gefährlichen oder gar potenziell tödlich verlaufenden Krankheiten wie Sars. Von dreien – das neuen Coronavirus Sars-CoV-2 eingerechnet - ist bekannt, dass sie mitunter schwere Symptome auslösen.

Woher das Virus ursprünglich kommt, ist noch nicht bekannt. Fledermäuse gelten als wahrscheinliches Virus-Reservoir. Die ersten Fälle wurden von einem Markt in der chinesischen Stadt Wuhan gemeldet, auf dem Wildtiere verkauft wurden. Als mögliche Überträger des neuen Coronavirus gelten unter anderem Fledermäuse und Flughunde, die in bestimmten Regionen Asiens von Menschen verzehrt werden. Da das Virus gut an den Menschen angepasst zu sein scheint, könnte es sich auch zuvor schon an den Menschen angenähert haben, meint Virologe Christian Drosten von der Berliner Charité. Trevor Bedford, Forscher am Fred Hutchinson Cancer Research Center in Seattle, beschäftigt sich mit der Entschlüsselung des Genoms des Virus. Er geht davon aus, dass das Virus erst bei Fledermäusen auftauchte und dann mutiert und über bislang noch unbekannte weitere Träger etwa Mitte November 2019 erstmals auf Menschen übertragen wurde.

Bisherige Daten deuten nach Angaben des Präsidenten des Robert Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, darauf hin, dass die neue Lungenerkrankung Covid-19 in China ähnlich verläuft wie eine schwere Grippewelle. Obwohl China drastische Maßnahmen unternommen habe, um eine weitere Verbreitung des Virus zu vermeiden, ist es mittlerweile zu einer Pandemie gekommen. Deshalb müssen verschiedene Maßnahmen zum Schutz vor Ansteckung ergriffen werden.

Beim ebenfalls aus China stammenden Sars-Virus wurden 2002/2003 8096 Fälle bekannt, 774 Menschen weltweit starben. Sars steht für Severe Acute Respiratory Syndrome (Schweres Akutes Atemwegssyndrom). 2012 tauchte in Vorderasien das Virus Mers-CoV auf. Mers ist die Abkürzung für Middle East Respiratory Syndrome. Dieses Coronavirus ist weniger ansteckend, aber aggressiver: Von rund 2500 Infizierten bis Ende 2019 starben über 860 - etwa jeder dritte.

  Lungenärzte im Netz, Titel: Covid-19, importiert am 11.01.2021



SARS-COV-2:

Im Dezember 2019 wurden in der Großstadt Wuhan gehäuft schwere Lungenentzündungen unbekannter Ursache festgestellt. Am 30. Dezember 2019 informierte der chinesische Arzt Li Wenliang in einer WeChat-Gruppe seine Arztkollegen über sieben Patienten, die wegen Verdachts auf Infektion mit dem SARS-Virus im Zentralkrankenhaus Wuhan behandelt wurden; dafür wurde er von der chinesischen Polizei ermahnt. Li selbst erkrankte später an COVID-19 und starb.

Das Chinesische Zentrum für Krankheitskontrolle und -prävention entsandte am 31. Dezember 2019 ein Team in die Stadt. Am selben Tag wurde das China-Büro der WHO durch die chinesischen Behörden offiziell informiert, dass im Dezember 2019 in Wuhan mehrere Personen an schwerer Lungenentzündung erkrankt waren und dass als deren Ursache ein uncharakterisierter Erreger vermutet werde. Bis zum 3. Januar 2020 wurden der WHO insgesamt 44 Erkrankte gemeldet, darunter Schwerkranke. Da mehrere Erkrankte auf dem örtlichen wet market „Südchinesischer Großhandelsmarkt für Fische und Meeresfrüchte Wuhan“ gearbeitet hatten, wurde dort der primäre Infektionsort vermutet.Kurz nach Auftreten der Krankheit im Dezember 2019 hatten 27 (66 %) der ersten 41 Krankenhauspatienten den Markt im Zentrum Wuhans besucht. Die Infektionen von 13 der übrigen Betroffenen hingegen allerdings nicht mit diesem Ort zusammen.

Am 7. Januar 2020 gab der die Virusidentifizierung leitende chinesische Virologe Xu Jianguo bekannt, der Krankheitserreger sei ein bisher unbekanntes Coronavirus. Dies hätten Untersuchungen von Blutproben und Rachenabstrichen von 15 Erkrankten ergeben. Die WHO bestätigte diese Erkenntnis am 9. Januar 2020. Am 13. Januar 2020 wurde die komplette RNA-Genomsequenz eines Isolats des neuen Coronavirus in der NCBI-GenBank hinterlegt (GenBank-Nummer MN908947). Nahezu gleichzeitig wurde ein erstes Nachweisverfahren publiziert.

Eine phylogenetische Analyse der Genomsequenzen aus Umweltproben des Marktes (etwa von Oberflächen) zeigte, dass sie mit den Viren der ersten Patienten aus Wuhan sehr nahe verwandt sind. Nach einer Studie des Wuhan Hospitals hatte der erste identifizierte Patient den Markt nicht besucht. Keines der untersuchten Tiere vom Markt wurde positiv auf SARS-CoV-2 getestet, was die Annahme stützt, das Virus sei nicht dort auf den Menschen übergesprungen. Offenbar hatte sich das Virus bereits zuvor unbemerkt unter Menschen etabliert. Der Markt könnte daher Schauplatz eines frühen Superspreader-Ereignisses gewesen sein.

Aus Modellierungen aufgrund der Untersuchung der Veränderungen des Erbmaterials RNA des Virus wird als erstes Auftreten des Virus als wahrscheinlich zwischen Oktober und Anfang Dezember eingegrenzt. Die Verbreitungsmuster der verschiedenen unterscheidbaren Virusmutationen spricht für eine massenhafte weltweite Ausbreitung des Virus durch eine Vielzahl von verschiedenen Ausbreitungsereignissen.

Als Patient null wird ein 55-jähriger Mann aus der Provinz Hubei vermutet, der sich bereits am 17. November 2019 infiziert haben könnte. Nicht alle frühen COVID-19-Fälle können mit dem Markt in Verbindung gebracht werden; die Historie des Ausbruchs ist wohl komplizierter als zunächst angenommen. In einer Vorab-Publikation aus dem Herbst konnte aufgrund umfangreichen Genomvergleichs eine vermutliche RNA-Sequenz der Ausgangsform („Stammvater“, en. progenitor: proCoV2) ermitteln, die (wie zu erwarten) vom Genom der real existierenden Referenzform etwas abweicht. Aus den Daten lässt sich vermuten, dass dieses Virus bereits einige Wochen vor den Fällen im Dezember 2019 Menschen infiziert hat. Die Forscher lokalisieren dieses Virus und seine unmittelbaren Nachfolger in China.

  Wikipedia, Titel: SARS-COV-2, importiert am 11.01.2021)

Hier noch einige Links zur Information:

  Wikipedia, Titel: Nidovirales, verlinkt am 17.01.2021
  DocCheck Flexicon, Titel: Nidovirales, verlinkt am 17.01.2021
  Wikipedia, Titel: Coronaviridae, verlinkt am 17.01.2021
  Robert Koch Institut, Titel: COVID-19 (Coronavirus SARS-CoV-2), verlinkt am 17.01.2021
  Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung, Titel: Coronaviren, verlinkt am 17.01.2021
  www.aerzteblatt.de, Genom-Analysen klären Herkunft von 2019-nCoV, verlinkt am 17.01.2021




Disease X, eine neue Infektionskrankheit, heute bekannt als COVID-19
von Mark Honigsbaum

"Sie kam und ging, ein Wirbelsturm durch die grünen Felder des Lebens"
The Times, 1921

Es war der Abend des 30. Dezember 2019. Marjorie Pollack hatte es sich in ihrem Haus in Cobble Hill, Brooklyn, gemütlich gemacht, als eine E-Mail bei ihr einging: In Wuhan, der Hauptstadt der zentralchinesischen Provinz Hubei, sei es zu einer auffälligen Häufung von Lungenentzündungen gekommen. Pollack ist Ärztin und Epidemiologin, sie hat das EIS-Programm der CDC durchlaufen und verfügt über mehr als 30 Jahre Erfahrung in epidemiologischer Feldarbeit. Außerdem ist sie stellvertretende Herausgeberin von ProMED, einem Informationsdienst, der das Internet nach Meldungen über ungewöhnliche Krankheitsausbrüche durchkämmt. Darum war sie genau die Richtige, um abzuschätzen, ob die Berichte, die ein Kollege in Weibo, einem chinesischen Mikroblogging-Dienst, entdeckt hatte, umgehend untersucht werden sollten oder guten Gewissens bis nach dem Jahreswechsel zurückgestellt werden konnten.

Was Pollack sah, nachdem sie die E-Mail geöffnet hatte, sträubte ihr das Nackenhaar: »Die Warnmeldung beinhaltete ein paar Tweets über irgendetwas, das in Wuhan vor sich ging - eine Häufung von Krankheitsfällen, erst 4, dann 27 -, dazu ein Bild, das theoretisch von einem Dokument stammen konnte, das die Gesundheitskommission von Wuhan verschickt hatte und in dem von Lungenentzündungen die Rede war, die möglicherweise mit einem Markt für Meeres- und Wildtiere in Zusammenhang standen«, erinnert sie sich. "Da ich die SARS-Epidemie aktiv miterlebt habe, klangen bei mir sofort die Alarmglocken. Es war ein Deja-vu !"

Umgehend setzte Pollack einen eigenen Aufruf im ProMED-Netzwerk ab und hatte innerhalb weniger Stunden einen Bericht in chinesischen Medien ausgemacht, der die Echtheit des Dokuments der Gesundheitskommission von Wuhan bestätigte. Vier Stunden später gab ein auf Künstliche Intelligenz gestütztes System am Boston Children’s Hospital ebenfalls eine Warnmeldung wegen unklarer Pneumoniefälle in Wuhan heraus und setzte die Seriosität auf einer Skala von eins bis fünf bei drei an. Mehr Information brauchte Pollack nicht, und kurz vor Mitternacht hatte sie bereits eine ausführliche Warnmeldung an die 80 000 Mitglieder starke internationale ProMED-Community von Ärzten, Epidemiologen und Mitarbeitern von Gesundheitsbehörden geschickt.

In diesem Moment war es Pollack nicht bewusst, aber sie hatte gerade das erste Signal eines größeren Krankheitsausbruchs mit einem neuen Coronavirus aufgefangen. Innerhalb weniger Monate sollte sich COVID-19 zu einer echten Pandemie entwickeln, eine, die auf unangenehme Weise an die Spanische Grippe von 1918/19 erinnert. Der Unterschied zu 1918: Damals war die Welt im Krieg, und obwohl die Krankheit viele, viele Todesopfer forderte, blieben die meisten Fabriken und Schulen geöffnet; doch außer Truppentransporten gab es kaum Menschenbewegungen zwischen Ländern und Kontinenten. Im Gegensatz dazu traf COVID-19 auf eine Welt, die so stark vernetzt ist wie nie zuvor, und setzte Infektionsketten in Gang, die die Börsen krachen ließen, den internationalen Flugverkehr zum Erliegen und Weltstädte zum Schweigen brachten.

Wir wissen, dass die COVID-19-Pandemie im Dezember 2019 in Wuhan, einer Stadt mit elf Millionen Einwohnern, auf dem Huanan-Großhandelsmarkt für Fische und Meeresfrüchte ihren Ausgang nahm. Trotz des Namens wurde auf diesem Markt auch das Fleisch einer ganzen Reihe von Wildtieren verkauft, unter anderem das von Wolfswelpen, Krokodilen und Schlangen. Der Indexpatient war ein 70-jähriger Mann, der am 1. Dezember erkrankte. Wenn man davon ausgeht , dass SARS-CoV-2, um den offiziellen Namen des Virus zu verwenden, eine durchschnitt-liche Inkubationszeit von 14 Tagen hat, dann muss sich "Patient Zero" wohl Mitte November infiziert haben - vielleicht auch schon früher. Eine Woche später gab es sieben weitere Fälle, von denen zwei in direkter Verbindung mit dem Großmarkt standen. Am 12. Dezember erkrankte ein 49 Jahre alter Händler des Marktes, sieben Tage später sein Schwiegervater. Was bedenklich war: Der Schwiegervater hatte den Markt selbst nicht besucht, das ließ darauf schließen, dass er sich bei seinem Schwiegersohn angesteckt hatte.

Am Ende der Woche berichteten mindestens drei Krankenhäuser in Wuhan über ähnliche Fälle. Doch den Patienten wurde gesagt, sie hätten Grippe oder Bronchitis, und sie wurden nach Hause geschickt. Selbst Ärzte, die eine Verbindung zu dem Großmarkt vermuteten, machten sich wegen der vorstellig gewordenen Patienten noch keine großen Sorgen, da sie keine Anzeichen für eine Ausbreitung in der Bevölkerung sahen. Wie der Leiter der Notfallaufnahme in einem der Wuhaner Krankenhäuser dem Wall Street Journal sagte: "Bei den frühen Stadien waren wir unvorsichtig."

Das änderte sich, als ein junger chinesischer Whistleblower namens Li Wenliang eine Nachricht in einem Chatroom postete - die Nachricht, die letztlich zu dem Signal führte, das Pollack in New York empfing. Li hatte an der Universität Wuhan Medizin studiert, im Jahr 2011 seinen Abschluss gemacht und sich danach auf Augenheilkunde spezialisiert; später wurde er am Zentralkrankenhaus von Wuhan angestellt. Obwohl Li schon während des Studiums in die Kommunistische Partei eingetreten war, scheute er sich nicht, die Obrigkeit zu kritisieren. Als ein Journalist 2011 vom Dienst suspendiert wurde, weil er über ein Zugunglück mit 40 Toten und 170 Verletzten in Wenzhou berichtet hatte, forderte Li, dass der Journalist wieder eingestellt werden sollte ? Zwei Jahre später postete Li, nachdem es mehrfach zu Angriffen auf chinesische Ärzte gekommen war, auf Weibo den Screenshot eines Artikels der medizinischen Fachzeitschrift The Lancet, indem die Behorden aufgerufen wurden, mehr für den Schutz von medizinischem Personal zu tun.

Und als er von einem Kollegen in der Notaufnahme des Krankenhauses horte, dass sich sieben Patienten mit untypischen Lungenentzundungen vorgestellt hatten und die Tests auf das "SARS-Coronavirus" positiv ausgefallen waren, hielt er es fiir eine Selbstverstandlichkeit, diese Nachricht zu verbreiten. »Sieben SARS-Falle auf dem Huanan-GroBmarkt bestatigt«, stand in seinem Weibo-Post vom 30. Dezember. »Sie liegen in der Notfallaufnahme unseres Krankenhauses in Quarantane.«5 Li postete aui3erdem eine CT-Aufnahme von der Lunge eines der Patienten. In einer gesunden Lunge heben sich Bronchien und Arterien silhouettenartig vor einem dunklen Hintergrund ab, hier jedoch war der »Lungenbaum« von verwaschenen hellen Flecken überdeckt, in denen sich dunkle, undurchsichtige Punkte befanden. Es sah aus, als waren die Lungenbläschen mit Eiter oder anderer Flüssigkeit gefüllt, aber diese Konsolidierungen waren ungleich verteilt, manche Bereiche waren starker betroffen als andere.

In China gilt Kommunikation ausserhalb offizieller Kanäle als schweres Vergehen, der Post brachte Li eine ernste Verwarnung wegen "illegaler Verbreitung von Gerüchten" und "stören der öffentlichen Ordnung" durch das Büro fur öffentliche Sicherheit in Wuhan ein. Wenige Tage später wurde Li auf die Polizeistation von Zhongnan zitiert, wo er eine Erklärung unterschreiben musste, dass seine Mitteilungen auf Weibo nicht korrekt gewesen seien und dass er sie nicht wiederholen werde. Tatsächlich jedoch hatte der Ableger des Chinese Center for Disease Control and Prevention (CCDC) in Wuhan bereits ein Team zu dem Großmarkt geschickt, um eine Untersuchung anzustellen. Es identifizierte 27 Falle von "Lungenentzündung unklarer Ursache", was das Gesundheitskomitee der Stadt Wuhan veranlasste, am 30. Dezember selbst eine Mitteilung auf Weibo zu posten, dass sich sieben Patienten in einem kritischen Zustand befanden. In den nächsten Tagen entsandte das chinesische CDC ein weiteres Team, um den Großmarkt zu desinfizieren, und am 31. Dezember informierte es das chinesische WHO-Büro über die Pneumoniefälle - ob das geschah, um weiteren Gerüchten in den sozialen Medien zuvorzukommen, oder ob es eine Reaktion auf Pollacks ProMED-Post war, lässt sich nicht sagen. Zwei Tage später isolierte das Wuhan Institute of Technology das Virus aus einem der Patienten und schickte es durch eine RT-PCR-Apparatur [1]. Wie SARS und MERS, das seit 2012 auf der Arabischen Halbinsel mehrfach zu kleineren Ausbrüchen geführt hatte, gehörte auch das in Wuhan gefundene Virus zur Familie der Coronaviren. Aber es war weder SARS-CoV noch MERS-CoV. Es war ein völlig neues Virus.

Das Ereignis war das chinesische Tschernobyl. Bis Januar 2020 konnte sich das "neuartige" Coronavirus, das später als SARS-CoV-2 bezeichnet wurde, vermutlich völlig ungehindert in Wuhan ausbreiten. Da es sich um ein neues Virus handelte, gegen das noch niemand Immunität entwickelt hatte, war unbedingt schnelles Handeln erforderlich, damit es sich nicht über die Stadtgrenzen hinaus verbreitete. Doch statt die Sirenen heulen zu lassen und die Bevölkerung vor dem möglichen viralen "Fallout" zu warnen, zögerten die Behörden. Das chinesische Neujahrsfest stand vor der Tür, und in Wuhan, der Wiege der chinesischen Revolution, sollte ein grosses Bankett ausgerichtet werden. Schlechte PR war das Letzte, was der Bürgermeister von Wuhan vor dem wichtigsten chinesischen Familienfest brauchen konnte. Ein weiterer Grund könnte Furcht gewesen sein: Seitdem Xi Jinping zum Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas gewählt worden war, konzentrierte sich die Macht noch stärker in Peking, und ein Abweichen von der Parteilinie könnte das Ende einer Beamtenkarriere bedeuten. Das hätte zur Folge, daß Beamte der unteren Parteihierarchieebenen zögerten, Entscheidungen ohne den Segen des Politbüros und des "Obersten Führers" zu treffen. Und natürlich wollte niemand der Überbringer einer Botschaft sein, die Xis "Chinesischen Traum" untergraben konnte, das Projekt der nationalen Erneuerung, das von einer dynamischen, global agierenden Wirtschaft und im Einklang mit Chinas besonderen politischen und kulturellen Traditionen vorangetrieben werden sollte. Darum hielten die Behörden in Wuhan die alarmierende Nachricht unter der Decke, in der Hoffnung, "es" wurde von alleine aufhören. Erst in der dritten Januarwoche entschied Xi, der - wie man später erfuhr - am 7. Januar von der wahren Lage Kenntnis erhalten hatte, über Wuhan eine Quarantäne zu verhängen. Binnen weniger Tage wurde die Quarantäne auf zehn weitere chinesische Städte ausgedehnt, damit standen 50 Millionen Menschen quasi unter Hausarrest. Bis dahin hatten jedoch bereits geschätzte fünf Millionen Menschen Wuhan verlassen, viele von ihnen nach Übersee. Es war zu spät.

Wird fortgesetzt !



Biographie des Autors:

Mark Honigsbaum ist Medizinhistoriker und Journalist. Als Reporter schrieb er mehrere Jahre für verschiedene Zeitungen wie den Guardian, den Observer, Independent on Sunday oder den Evening Standard.

Honigsbaum veröffentlicht regelmäßig in wissenschaftlichen Fachzeitschriften und konzentriert sich inzwischen auf seine Arbeit als Buchautor und Historiker. Für ein breites Publikum schrieb er u. a. "The Fever Trail: In Search of the Cure for Malaria" (2001), "Living with Enza: The Forgotten Story of Britain and the Great Flu Pandemic of 1918" (2009) und "A History of the Great Influenza Pandemics: Death, Panic and Hysteria, 1830-1920" (2014). 2019 erschien sein jüngstes Buch „The Pandemic Century“. Honigsbaum unterrichtet an der City University of London. (Quelle: Piper)

  PIPER, Titel: Das Jahrhundert der Pandemien, Eine Geschichte der Ansteckung von der Spanischen Grippe bis Covid-19, Mark Honigsbaum