Cholera-Epidemien


die asiatische Cholera (Cholera asiaticus):

Gallenbrechdurchfall (griech. „chol“ = Galle; „rhein“ = fließen) heißt die Übersetzung. Starke Schmerzen, Erbrechen, Durchfall mit massivem Flüssigkeitsverlust von bis zu 20 Litern am Tag sind typische schreckliche Symptome der Cholera. Wird die körperliche Austrocknung der Betroffenen und der Verlust lebenswichtiger Mineralstoffe nicht unverzüglich behandelt, laufen diese blau an und sterben innerhalb kürzester Zeit.
Statistisch sterben ohne Behandlung zwei Drittel aller Erkrankten innerhalb von ein bis sechs Tagen.

Der Auslöser Dieser extreme Brechdurchfall entsteht durch das Bakterium Vibrio cholerae, dessen Exotoxin, das Choleratoxin, zu starkem reiswasserartigem Durchfall (Reiswasserstühlen) führt. Diese Bakterien gelangen vor allem über fäkalienverunreinigtes Trinkwasser, selten über Erreger-kontaminierte Lebensmittel oder Gebrauchsgegenstände in den menschlichen Magen-Darm-Trakt. Das Wissen über die mögliche Krankheitsursache wurde jedoch erst im Laufe des 19./20. Jahrhunderts nach und nach bekannt. Zuvor stand die Menschheit der Erkrankung mehr oder weniger hilflos gegenüber und Millionen Erkrankte starben.

Schon im ersten Jahrtausend v. Chr. wird in Schriften auf Sanskrit, Chinesisch und Griechisch eine Durchfallerkrankung beschrieben, die der Cholera ähnelt. Portugiesische Seefahrer berichteten 1543 n. Chr. erstmals von einem Choleraausbruch in Indien.

Die großen Epidemien Zeitgenossen und Historiker sind sich einig, dass die großen Choleraepidemien in Europa ihren Ursprung im dicht bevölkerten Ganges-Brahmaputra-Delta in Indien hatten. Daher kommt auch der Begriff „asiatische Cholera“. Die erste Epidemie – seither gab es mindestens sechs weitere – breitete sich 1817 bis 1837 in ganz Asien aus, drang aber nicht weiter nach Westen vor. Bei allem Schrecken und aller Abscheu, den die aus Indien eintreffenden Krankenberichte in Europa hervorriefen:

Indien war weit weg und als Verursacher galten giftige Sumpfdämpfe, die der Verwesungsprozess in tropischem Klima nun einmal mit sich brachte. Mit der nächsten Epidemie in den 1830er-Jahren hatte die Cholera jedoch die gesamte Welt erfasst. Verbreitet wurde die Krankheit von Händlern, Seeleuten, Soldaten, Pilgern, Flüchtlingen und Auswanderern. Kaum waren die letzten Ausläufer der zweiten Choleraepidemie 1837 erloschen, wurde aus Bengalen ein erneuter schwerer Ausbruch gemeldet. An ihn schloss sich die dritte Epidemie (1840 bis 1860) an, die 1847 Europa erreichte und in zwei Wellen bis 1854 anhielt. Auch von der vierten (1863 bis 1875), fünften (1881 bis 1896) und sechsten Epidemie (1899 bis 1923) sollten weite Teile Europas betroffen werden, während es von der siebten, heute noch andauernden Epidemie (seit 1961) bis auf eingeschleppte Einzelfälle verschont blieb. 95 Prozent aller gemeldeten Fälle stammen heute aus Nord- und Zentralafrika, Südamerika und Südostasien.

Die Bekämpfung Die Ärzte versuchten, die Cholera zu verstehen, hatten aber zunächst keine Ahnung, wie sie entstand und übertragen wurde. Die empirischen Befunde widerlegten sowohl die Miasmentherorie der Übertragung durch üble Dünste wie die Kontagionstheorie der Übertragung durch Berührung von Kranken. Weder Quarantäneversuche, Räucherungen, noch Aderlass, Opium oder Kalomel (Quecksilberchlorid) brachten Linderung oder gar Heilung. Der englische Arzt John Snow (1813 bis 1858) entdeckte 1854, einem der schlimmsten Cholera-Jahre überhaupt, die Übertragung über Fäkalienverschmutztes Trinkwasser. Im gleichen Jahr beschrieb der italienische Anatom Filippo Pacini (1812 bis 1883) in Florenz den Seuchenerreger als gekrümmtes, kommaförmiges und hochbewegliches Bakterium. Ihre Erkenntnisse konnten sich zunächst jedoch nicht durchsetzen.

Die dreckigen, unhygienischen Lebensbedingungen waren eine ideale Brutstätte. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts setzte sich der Bau von Kanalisationen durch. Durch die Trennung von Ab- und Trinkwasser gingen die Fallzahlen schlagartig zurück. Neben der Einhaltung hoher hygienischer Standards und der Bereitstellung von hygienisch einwandfreiem Trinkwasser gilt heute als wichtigste Behandlungsmaßnahme der ausreichende Ersatz von Flüssigkeit, Zucker und Salzen (Rehydratationstherapie) – am besten in intravenös, da so der entzündete Gastrointestinaltrakt umgangen wird. Antibiotika wie Ciprofloxacin und Azithromycin verkürzen die Infektiosität. Eine orale Impfung (Schluckimpfung) existiert, hat aber nur eine begrenzte Wirksamkeit.

Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin / Journalistin

  Die PTA in der Apotheke, Titel: Praxis Seuchen der Welt, "das asiatische Ungeheuer", verlinkt am 21.01.2021



Cholera-Epidemien 1817 bis 1923:

Abgesehen von Epidemien (regional begrenzte Ausbreitung der Krankheit) lassen sich seit 1817 sechs Epidemien (länder- und kontinentübergreifende Ausbreitung) unterscheiden: Cholerabaracke in Hamburg während der Epidemie von 1892 Desinfektionskolonne mit Chlorkalkkarren während der Cholera-Epidemie in Hamburg 1892

1. Epidemie (1817–1824):
Teile Asiens sind betroffen, ebenso Ostafrika, ab 1823 Kleinasien und in der Folge Russland und Europa. Philip Alcabes stellt die erste Epidemie, die im Zeitraum von 1817 bis 1824 auftrat, in Zusammenhang mit den Verwerfungen auf dem indischen Subkontinent, die in Folge des Einflussgewinns der Britischen Ostindien-Kompanie auftrat. Hungersnöte und kriegerische Auseinandersetzungen führten zu größeren Migrationsbewegungen innerhalb des Kontinents und schufen auf Grund der damit einhergehenden, sich verschlechternden Lebensbedingungen der indischen Bevölkerung die Voraussetzung, dass sich die Krankheit zunächst weiträumig auf dem indischen Subkontinent und von da ausgehend nach Westeuropa und Russland ausbreiten konnte.

Gillen D'Arcy Wood sieht als maßgebliche Voraussetzung der Verbreitung den drastischen Klimawandel in den Jahren 1815–1818, der durch den Ausbruch des Tambora, eines Vulkans auf Sumbawa, Indonesien, verursacht wurde.

Auf welchen Weg der Erreger von Indien aus in andere Weltregionen gelangte, ist nicht vollständig geklärt. Da der Erreger für mehrere Tage in Wasserbehältern überleben kann, gilt als sehr wahrscheinlich, dass der Erreger über Handelsrouten weiter verbreitet wurde. Zwischen 1820 und 1822 erreichte der Erreger die arabische Halbinsel über Schiffsverbindungen und Afghanistan und Persien über Karawanenwege. Der Ausbruch in Maskat im Jahr 1821 geht auf britische Truppenbewegungen zurück, die mit dem Erreger entweder in Indien oder Afghanistan in Kontakt kamen. Von Maskat aus verbreitete sich der Erreger entlang der Handelswege des arabischen Sklavenhandels bis in den Nordosten Afrikas.

2. Epidemie (1826–1841):
Die Epidemie breitet sich von Mekka nach Ägypten und Europa aus. Um 1830 brachten die gegen den polnischen Novemberaufstand zusammengezogenen russischen Truppen von der indischen Grenze die Krankheit erstmals nach Europa und wenig später nach Nordamerika. In den baltischen Küstengebieten und in Warschau brach Cholera ab 1830 aus. Von dort gelangte der Erreger nach Großbritannien, Deutschland und Österreich[43][44] (1831), Frankreich (1832), in die Niederlande (1832) und die USA (1832). Zu den Choleratoten zählen Hegel, Clausewitz, Gneisenau, Diebitsch, Langeron, Perier, Georges Cuvier u. v. a. Betroffen waren jedoch vorwiegend die einkommensschwachen Bevölkerungsschichten.

Im Juli 1832 starben täglich Dutzende Einwohner von New York. 95 Prozent dieser Todesopfer wurden in Armengräbern beigesetzt.[42] Binnen weniger Jahre wurden fast alle europäischen Länder von verheerenden Seuchenwellen heimgesucht. In Wien forderte die Cholera von 1830 bis zum Dezember 1831 rund 2000 Tote. Ursache war zum einen das enorme Wachstum der Stadt, womit die Wiener Wasserversorgung nicht Schritt halten konnte, zum anderen das Donauhochwasser 1830, das viele Senkgruben überflutete und damit das Grundwasser verseuchte.

3. Epidemie (1852–1860):
Die Epidemie betrifft einen Teil Asiens, den Maghreb (insbesondere Algerien) und Europa. Es kam zu mehr als einer Million Todesfällen in Russland. Im Krimkrieg (1853–1856) kamen auf beiden Seiten mehr Soldaten durch die Cholera um als in Kampfhandlungen. So starben u. a. der britische Oberbefehlshaber Lord Raglan und der Befehlshaber der französischen Flotte, Armand Joseph Bruat, an der Krankheit. 1854 brach die Epidemie auch in London und Teilen Süddeutschlands (darunter in München) aus. In Wien wurde 1854 der Dichter Ferdinand Sauter erstes Opfer eines weiteren Ausbruchs nach der Choleraepidemie 1830/1831. Allein in der Schweizer Gemeinde Binningen starben 1855 gemäss dem Bericht des dortigen Pfarrers Jonas Breitenstein innerhalb von zwei Monaten 26 der damals gut 1200 Einwohner.

4. Epidemie (1863–1876):
Über Nordeuropa, nach Belgien im Jahre 1866, dann Frankreich und schließlich Nordafrika und Südamerika. Während des Preußisch-Österreichischen Kriegs (1866) brach die Seuche im preußischen Heer aus und kostete 3139 Soldaten das Leben. Mit dem Truppenvormarsch verbreitete sich die Cholera in Niederösterreich. Am 27. Juli 1866 wurde ein weiterer Cholerafall in Wien entdeckt. Am 24. August 1866 begann dort eine Epidemie, die bis zum 23. November desselben Jahres 1869 Tote in der Stadt verursachte. In der Umgebung waren rund 4000 Opfer zu beklagen. Im übrigen Niederösterreich kam es in 490 Ortschaften zu geschätzten 23.000 Choleraerkrankungen; es starben etwa 8000 Menschen.

Diese Cholerawelle erfasste auch in Deutschland Städte und Regionen, die bislang weniger betroffen waren. In Sachsen und Thüringen verbreitete sich die Krankheit 1865/66; in Erfurt starben dabei fast 1000 Menschen, in Apolda 200 und erstmals auch in Weimar etwa 70. In den Jahren 1855 und 1867 starben in der Stadt Zürich in Folge prekärer hygienischer Verhältnisse in vielen Wohnungen ca. 500 Menschen an Cholera.

5. Epidemie (1883–1896):
Die Epidemie breitet sich von Indien nach Osten und Westen auf mehrere Kontinente aus. Um 1892 grassierte die Cholera in Afghanistan und gelangte nach Russland. In Hamburg kam es in diesem Jahr zu einer letzten großen Epidemie. Robert Koch vermutete bei der Cholera-Epidemie von 1892, dass russische Amerika-Auswanderer sie mit in die deutsche Hafenstadt gebracht hätten. Es gibt jedoch auch Zweifel an dieser Hypothese, da die ersten Cholerafälle unter Einheimischen diagnostiziert wurden. Durch die fehlende Aufklärung der Bevölkerung und zu wenig Kläranlagen wurde der Ausbruch des Erregers begünstigt. Allein in Hamburg starben mehr als 8600 Personen.

6. Epidemie (1899–1923):
Aus Asien kommend gelangte die 6. Epidemie nach Russland und breitete sich dann nach Mittel- und Westeuropa aus.

  Wikipedia, Titel: Cholera, verlinkt am 21.01.2021



Waldemar Haffkine: Der Mann, der Pest und Cholera bezwungen hat:









Dieser russische Wissenschaftler hat Millionen von Menschen das Leben gerettet.
Doch sein Name fristet ein Schattendasein.


Kampf gegen die Skeptiker

Wladimir Hawkin oder Waldemar Haffkine, wie er außerhalb Russlands besser bekannt ist, entwickelte Impfstoffe gegen gefährliche Krankheiten, die Millionen Menschen das Leben gekostet haben. Zunächst befasste er sich mit der Cholera. Haffkine forschte am Pariser Pasteurinstitut an einem Impfstoff, als Asien und Europa von der fünften Cholera-Pandemie heimgesucht wurden. Allein in Indien starben zwischen 1877 und 1890 an der Krankheit mehr als eine Millionen Menschen.

Selbst die Wissenschaftsgemeinde glaubte damals nicht daran, dass es gelingen könnte, einen Impfstoff zu entwickeln und vertraute mehr auf Hygienemaßnahmen. Diese weitverbreitete Überzeugung unter seinen angesehenen Kollegen konnte den jungen Forscher aus Russland aber nicht von seinem Ansatz abbringen. 1892 riskierte er sogar sein Leben, indem er den Impfstoff an sich selbst testete. Es war ein Erfolg. Die Nachricht wurde jedoch mit großer Skepsis aufgenommen. Selbst der berühmte deutsche Bakteriologe Robert Koch sagte, es sei „zu schön, um wahr zu sein“.

Höchste Hingabe

Die britische Regierung hatte dennoch Interesse an den Forschungsergebnissen Haffkines. Sie wollte die Ausbreitung der Cholera in der indischen Kolonie verhindern. Die Briten schickten ihn nach Indien. Haffkine organisierte die Produktion des Impfstoffes und er selbst half mit bei der Impfung von mehr als 40 000 Menschen. Es gelang, die Sterberate um das Zehnfache zu senken. Bild Als wäre die Choleraepidemie nicht schon Tragödie genug, brach in Mumbai 1896 die Beulenpest aus und die Regierung fragte wieder bei Haffkine an. In nur drei Monaten entwickelte er einen neuen Impfstoff. Einige seiner Mitarbeiter konnten bei so viel harter Arbeit, so viel Hingabe und dem Druck nicht standhalten und kündigten. Haffkine spielte erneut selbst Versuchskaninchen, bevor er den Impfstoff den Hindus vorstellte. Der erste Impfstoff bot zwar keinen vollständigen Schutz gegen die Krankheit, reduzierte jedoch das Infektionsrisiko um die Hälfte. Es war der erste wirksame Impfstoff gegen die Pest. Als Zeichen der Anerkennung seiner Errungenschaften wurde Haffkine 1897 zum Ritter geschlagen.

Glaube und Revolution

Haffkines wissenschaftliche Aktivitäten waren unabhängig von Russland, obwohl er im russischen Reich, auf dem Gebiet der heutigen Ukraine, geboren wurde. Er studierte in Odessa, doch da er Jude war, deren Rechte vor der Revolution 1917 eingeschränkt waren, gab es dort Schwierigkeiten für ihn. Um eine akademische Laufbahn verfolgen zu können, mussten jüdische Studenten zum orthodoxen Christentum konvertieren. Haffkine war religiös und wollte seinen Glauben nicht aufgeben. Bild Es gab noch weitere Gründe. Er sympathisierte mit dem linken Untergrund und träumte von einer sozialistischen Revolution in Russland. Dafür wurde er verhaftet. Aber als die Aktivisten den Terror gegen die zaristische Regierung für sich entdeckten, nahm er Abstand.

Millionen von Leben gerettet

Haffkine musste sich bei seiner Arbeit nicht nur mit der Skepsis seiner Kollegen auseinandersetzen, sondern auch mit dem Unglauben der Menschen, deren Leben er retten wollte. Als der russische Gelehrte gemeinsam mit einigen indischen Kollegen in einem Dorf in der Nähe von Kalkutta ankam, um dort den Impfstoff gegen Cholera zu verteilen, wurden sie von einem wütenden Mob umzingelt. Die Dorfbewohner verweigerten die Impfung. Sie drohten und warfen mit Steinen. Doch anstatt den Rückzug anzutreten, zog Haffkine sein Hemd aus und ließ sich vor den Augen der Dorfbewohner eine Spritze verpassen. Das machte Eindruck. Mehr als 100 Menschen ließen sich impfen. Keiner von ihnen erkrankte an Cholera.



Haffkines Pestimpfstoff wurde 1909 acht Millionen Menschen und 1940 bei 35 Millionen Menschen injiziert. Im Laufe der Zeit wurde aus dem von Haffkine in Mumbai gegründeten kleinen Labor eine riesige Forschungseinrichtung für Bakteriologie und Epidemiologie. Im Jahr 1925 wurde das Institut nach Haffkine benannt. Einer der Leiter des Instituts schrieb: „ Menschen in Indien haben sehr wohl erkannt (rus), dass Haffkine sie vor dem Tode gerettet hat und somit vor den schrecklichen Pestepidemien.“

  Russia Beyond, Titel: Waldemar Haffkine: Der Mann, der Pest und Cholera bezwungen hat